Sölkpass 1790 m - Südseite

Wie mich zum ersten Mal ein Pass besiegte

Bei der Anfahrt zum Sölkpass habe ich zwiespältige Gefühle, einerseits Freude auf die bevorstehende Pass-Auffahrt, andererseits weiß ich, dass die auf der Karte angegebene 15-%-Steigung im oberen Abschnitt mehrere Kilometer anhält und heute stecken uns schon etliche Kilometer und mehrere hundert Höhenmeter in den Beinen.

Unvermittelt steigt die Straße am Fuß des Passes mit 12 % an.
Günter hat heute "gute Beine" und forciert das Tempo. Ich "gehe" mit.

Dann kommt er, der erste Vorbote des 15-%-Anstiegs, nur ca. 200 - 300 Meter lang. Günter forciert erneut und ich halte sein Hinterrad.

Ich merke, wie meine Kräfte langsam nachlassen, Günter zieht davon.
Ich mobilisiere die letzten "Körner", will ihn wieder einholen und starte eine Aufholjagd.

Vor uns wieder ein steileres Stück von ca. 200 Metern Länge. Ich steigere das Tempo, oben spüre ich den Atem von Günter, ich habe ihn fast erreicht.

Doch nun rächt sich, was sich rächen muss.
Nach ein paar Metern im 15-%-Schlussanstieg holt es mich vom Rad.
Ich mache eine Pause und würde am liebsten immer hier sitzen bleiben.

Irgendwann steige ich wieder aufs Rad. Frustriert und mit meinen Kräften am Ende kämpfe ich mich den Schlussanstieg hinauf. Jeder Tritt erfordert Überwindung, Kampf.
Ich verfluche dabei alle Pässe der Welt und alle Autos und Motorräder, die ohne Kraftanstrengung an mir vorbei den Pass hochfliegen, und frage mich, wie man nur so blöd sein kann, Pässe mit dem Rennrad bezwingen zu wollen.

Irgendwann komme ich oben an, Günter will mich mit dem obligatorischen Handschlag begrüßen, ich verweigere ihn, da ich nicht das Gefühl habe, ihn verdient zu haben.

Heute habe nicht ich den Pass bezwungen,
sondern zum ersten Mal hat mich ein Pass besiegt.

PS: Am nächsten Tag fühle ich mich wieder topfit. Beim 10-%-Anstieg zur Ramsau fahre ich locker den Berg hinauf und mache Günter den Vorschlag, die Tour um die Auffahrt zur Dachsteinhütte zu erweitern ...

(Autor: Gerd Balser)