Stilfser Joch (2757 m)

der Leichtgewichtsfreak

Ausgangsort: Prad (910 m)

Gerd reduziert das Gewicht wo er nur kann.
Sogar die kleine Werkzeugtasche mit dem Reserveschlauch lässt er im Auto. Er betont, dass er so leicht wie möglich fahren wolle und bewusst volles Risiko eingehe.

Wir haben wieder blauen, wolkenlosen Himmel, Bilderbuchwetter. Gegen halb zwölf im Sattel. Einfahren ist nicht möglich, es geht sofort bergan, zunächst jedoch noch verhalten.

Nicht besonders schön ist die Strecke anfangs, die Straße folgt dem Trafoier Bach mit bis zu 10 % Steigung, relativ eng die Straße, geradlinige Streckenführung, kaum Aussicht und dazu einige Baustellen.
Schön wird die Auffahrt erst ab Gomagoi, mit bis zu 12 % , kurzzeitig auch steiler, windet sich die Straße höher und die Aussicht wird mit jedem gefahrenem Meter schöner.

Steigungen bis zehn Prozent sind zu bewältigen, links und rechts sind waldreiche Hänge. Mit rundem Tritt geht es an den Gletscherabbrüchen des Ortlers vorbei, man sieht die Trafoier Eiswand, ein gewaltiges Panorama.
Der Baumbestand wird immer lichter, in Kehren gibt es noch vereinzelt Schatten, dann ist nur noch die Sonne unser Begleiter. Die Steigung nimmt zu auf teilweise über zwölf Prozent.

Ab Franzenshöhe folgt der bekannteste und eindrucksvollste Streckenabschnitt: 24 übereinanderliegende Kehren in einem vegetationslosen, steilen Geröllhang wollen durchfahren werden. Ein herrliches Gefühl hier zu raden.
Störend ist aber der Verkehr. Motorräder, Autos und Wohnmobile kommen von oben, von hinten kommen sie immer nur schubweise, vorneweg meist ein langsames Campingmobil mit schwarzen Dieselauspuffwolken.

Der Schweiß tropft, langsam wird die Trinkflasche leer. Kehre um Kehre, Rampe um Rampe wird niedergefahren.

Die Passhöhe kommt ins Blickfeld, die Kehren nehmen zu, werden enger, dann sind wir oben.
Erst kommt Hochstimmung auf aber dann erschrecken wir. Ein großes Gedränge herrscht auf der Passhöhe. Verkaufsstände für Kleidung, Souvenirs und Snaks. Renn- und Mountainbiker, Touristen, Autos und Motorräder bevölkern die Passhöhe.

Wir fahren ein wenig umher, schauen auf der gegenüberliegenden Passseite nach Westen, Richtung Umbrailpass, herrlicher Ausblick.
Gerd möchte ein Stück abfahren. Er ist unersättlich.
Da ich nicht mitfahre, bleibt auch er.

Wir starten in die Abfahrt.
Nach der ersten Kehre passiert es, Gerd hat einen Plattfuß am hinteren Rad. Der Reifen ist seitlich beschädigt, der Schlauch liegt bloß und er hat keinen Reserveschlauch dabei.

Ich gebe ihm meinen, mir darf bei der Abfahrt eben nichts passieren. Wir fahren langsam ab, damit ja kein Sturz durch plötzlichen Luftverlust erfolgen kann.